Finissage der Ausstellung – „Die Ästhetik des Seriellen in der Kinetik“ von Willi Reiche

Portrait, Willi Reiche in der Maschinenhalle

1. Das verlorene Ausstellungsjahr 2020

Auch wir können nicht ganz darauf verzichten ein paar Anmerkungen zum allseits bestimmenden Thema zu machen.
Ca. 6 Wochen absolute Schließung der Galerie und damit verbunden, der Umsatzausfall, fehlende Öffentlichkeit Änderung des Jahresprogramms mit Verlängerungen, Neuaufnahme und Absagen bzw. Verlegung von Ausstellungen, gehen nicht spurlos an einem vorbei. Die staatlich verordneten Auflagen machen einen geregelten Galerie- bzw. Ausstellungsbetrieb noch immer nahezu un-möglich. Gerade für eine keine Galerie, die gleichzeitig nur mehr 2 Leute betreten dürfen, ist es praktisch nicht mehr möglich die sehr wichtigen Sonderöffnungen, Vernissagen, Midissagen oder Finissagen zu veranstalten. Das gemeinsame Erleben und der Austausch der Besucher unter-einander ist essenzieller Bestandteil der Ausstellungsphilosophie.
Da ist, wenn auch freudig und dankbar angenommen, die staatliche finanzielle Unterstützung nur ein sehr kleiner Tropfen auf einem sehr heißem Stein.
Gedanken, wie es im Galeriebetrieb in den nächsten Jahren mit den allgemein zu erwartenden massiven wirtschaftlichen Problemen und Umwälzungen und den damit verbundenen Zukunfts-ängsten und dem tatsächlichen Verlust von Kaufkraft weitergeht, will man sich gar nicht machen.


 

2. Finissage der Ausstellung „Die Ästhetik des Seriellen in der Kinetik“ von Willi Reiche.

Trotzdem findet eine Finissage mit Willi Reiche, dem Rheinland-Pfälzischen Künstler und seinen kinetischen Kunstwerken statt. – Der Künstler ist während der Finissage persönlich anwesend.
Intensives Überlegen und Suchen nach Alternativen und etwas Mathematik (Anzahl der Besucher pro nutzbarer Zeit) führten zur Erkenntnis, dass eine solche Veranstaltung nur möglich ist, wenn die Dauer der Finissage verlängert wird und damit trotz der geringen gleichzeitig erlaubten, die Gesamtzahl an Besuchern zu ermöglichen. Um Wartezeiten und zu engen Kontakt zu vermeiden, wird auf der Homepage der Galerie ein Buchungssystem zur Verfügung gestellt. Hier können sich potenzielle Besucher online ein Zeitfenster für Ihren Besuch reservieren. Natürlich ist auch ein spontaner Besuch möglich.
Die Finissage findet statt am:
Samstag, den 18.07.2020 von 14.00 bis 21.00h
Bis dahin hat die Ausstellung immer Donnerstag und Samstag von 15.00 – 18.00 Uhr und nach Terminvereinbarung (Mo. – Fr.) geöffnet.
Terminvereinarung: https://www.grabsdorf.de/terminvereinbarung/


 

3. Große Kunst in kleinen Räumen

Mit nur ca. 40m² Ausstellungsfläche auf zwei Räumen zählt die Galerie G. Grabsdorf sicher nicht zu den größten Galerien Münchens. Das Aufstellen der „kleinen“ Maschinen Willi Reiches war eine große Herausforderung. Die Maschinen bestehen gerne aus schweren Metallteilen – teilweise Gusseisen – und lassen sich nur schwer und schwierig bewegen. Sie sind z. T. zusammengesetzt aus Fundstücken früherer Industrie- und Fertigungsanlagen, denen Reiche mit der Wiederver-wendung in seinen Maschinen eine neue Zukunft und Aufgabe schenkt.
Die üblichen Größen Reiches Maschinen reichen von bis zu 7 m Breite und einer Höhe von 6 m. In der Ausstellung sind 11 Maschinen zu sehen, wovon zwei etwas kleiner ausfallen, z. B. „Abakus“ mit 68 x 47 x 15 cm. Während sich die anderen Maschinen in etwas anderen Größen-ordnungen bewegen, z. B. „Bügelpalast“ mit 146 x 262 x 70 cm oder „Dancing Devils“ mit 246 x 75 x 24 cm.
Nach drei anstrengenden Tagen war der Aufbau geschafft und das Ergebnis konnte am 07.02.2020 einer großen und begeisterten Besucherzahl vorgestellt werden. Trotz der Dimensionen der Maschinen ist es gelungen eine ausgewogene, ästhetisch anmutende Ausstellung in den kleinen Galerieräumen zu einzurichten.
Im ersten Raum steht u. a. der sakral, altarähnlich anmutende „Bügelpalast“ den tanzenden Teufelshörnen von „Dancing Devils“ im Ausgleich gegenüber, die ein stimmungsvolles, mystisches Schattenbild an der Galeriewand erzeugen.
„Kinetik Kiosk“ lädt mit seiner bunten, süßen Füllung mit Gummibären, Zuckerbananen und Lakritze zum Naschen ein während „Vierklang“ sein Glockenspiel erklingen lässt.
Die Isolatoren antreibend Kurbelwelle von „Abakus“ lockt im Schaufenster neugierige Blicke auf sich.
Der zweite Raum wird von „Luminaire“ mit ihren acht großen bewegten Industrielampen im Bauhausstil und der „Gebetsmühle“, mit ihren sich drehenden Metallzylindern dominiert.
„Slow Motion“ setzt mit ihren kaum – nur durch ein Schattenspiel – wahrzunehmenden Bewe-gungen einen meditativen Kontrast dazu.
Das Schattenspiel der in einer Sinus-/Cosinus-Kurve bewegten Trompetentrichter von „Every Brass You Take“ fasziniert nicht nur mathematisch interessierte Besucher.
„Kat Kat“ führt auf eine reduzierte Weise in die Ästhetik früher Industrietransmissionen ein während „Kinetic Arc“ mit ihrem Schattenspiel von Filmrollen die Gedanken in die Welt des Kinos entführt.
Bis auf „Vierklang“ und „Slow Motion“ werden alle Maschinen über Fußschalter oder Bewegungs-melder in Betrieb gesetzt.
Ab 14.03.2020 war dann leider erst mal zwangsweise geschlossen. Nach der Wiedereröffnung am 30.04.2020 lief der Besucherandrang verständlicher weise nur schleppend wieder an um sich bis heute nicht annähernd wieder zu normalisieren. Die Ausstellung wurde bis einschließlich 18.07.2020 verlängert und das Ende wird am 18.07.2020 von 14.00 – 21.00 (unter erschwerten Umständen) gefeiert. Bis dahin ist noch ein Besuch zu den Öffnungszeiten und nach Termin-vereinbarung möglich.


 

4. Willi Reiche – Kunstmaschinen

Mit seinen Kunstmaschinen versetzt der Kinetikkünstler Willi Reiche vertraute Alltagsgegenstände und – aus heutiger Sicht oftmals skurrile anachronistische Zeugnisse früher Technik in Bewegung. In neuem Kontext, stets mit einer Portion Humor und viel Charme inszeniert, erwachen gezielt auserwählte Komponenten aus einem umfangreichen Fundus zu neuem Leben. Willi Reiche widmet sich seit 1998 ausschließlich der kinetischen Kunst. Insbesondere bei seinen Werken neueren Datums verfolgt er häufig das Prinzip serieller Anordnungen.
Maschinen sind technische Arbeitsmittel, die bestimmte Arbeitsvorgänge erleichtern bzw. automatisieren.
Nicht so bei den Kunstmaschinen von Willi Reiche: Sie produzieren nicht, sie nehmen keine Arbeit ab – aber sie erleichtern dennoch auf ihre ganz eigene Art das Leben. Reiches kinetische Objekte vermitteln mit spielerischer Leichtigkeit und amüsanten Titeln Freude; die Inszenierung vertrauter, alltäglicher Dinge und Gegenstände aus vergangenen Zeiten ziehen den Betrachter in ihren Bann – und regelmäßigen richten sich ausgestreckte Zeigefinger auf eine ganz besondere Entdeckung, die Erinnerungen und Assoziationen weckt.
Seit 1998 konstruiert Reiche kinetische Objekte mit mechanischen Bewegungsabläufen, angetrieben durch Elektromotoren, Wind oder interaktiv mittels Muskelkraft. Die sehr unterschiedlichen Kunstmaschinen zeichnen sich durch ihren besonderen Charme, schelmische Anspielungen und Ästhetik aus. Die meist lautlosen Bewegungsabläufe verbreiten Ruhe und eine kontemplative Stimmung. Integrierte Leuchtmittel sowie gezielt gesetzte externe Lichtquellen projizieren faszinierende Schattenbilder, die förmlich auf den Wänden tanzen.
Insbesondere bei seinen aktuellen Werken beschränkt sich Willi Reiche vielfach auf die Verwendung gleicher Bestandteile. Durch die Wiederholung und Reihung gleicher oder ähnlicher Formen entsteht jedoch keine eintönige Uniformität, sondern Reiche konstruiert ein Gefüge, das zwar einem gewissen Ordnungsmuster unterliegt, eine Konstante widerspiegelt, zugleich aber ein Spektrum an Variationen zulässt. Das Prinzip der seriellen Anordnung provoziert einen unmittelbaren Vergleich: Sind die seriellen Bestandteile beliebig austauschbar oder verfügen sie, jedes für sich, über eine Individualität, der besondere Aufmerksamkeit gebührt? Nimmt der Betrachter zuerst die einzelnen Varianten wahr oder erfasst er zuerst das kinetische Gebilde als systematisch angelegtes Gesamtwerk?
Neben dieser erwünschten Reflexion spielt für Reiche die Ästhetik des Seriellen eine wesentliche Rolle. Ob in linearer Reihung auf einer Höhe (wie etwa bei den Kunstmaschinen „Gebetsmühle II“ und „Dancing Devils“) oder versetzt gegenüberliegend auf verschiedenen Ebenen (beispielsweise „Luminaire“, „Kat Kat“ und „Vierklang“) – die Wiederholungen gleichartiger Elemente verleihen der Kunstmaschine eine ungewohnte, charakteristische Ästhetik, die das kinetische Gefüge zu einem neuartigen Objekt ganz eigener Prägung werden lässt.
So entsteht etwa aus insgesamt sieben senkrechten, symmetrisch angeordneten Bügelmulden, die aus einer größeren Heißmangel und sechs kleineren Walzenbügelmaschinen stammen, eine kinetische Skulptur, deren Formensprache an Art déco erinnert und Assoziationen zu den „Goldenen 1920er Jahren“ hervorruft. Diese Komposition betitelt Reiche angesichts ihrer Bestandteile und grafischen Wirkung in diesem Fall augenzwinkernd als „Bügelpalast“.


 

5. Kurzvita Willi Reiche

Jahrgang 1954, Studium der Kunstgeschichte in Bonn, 1982 bis 1990 Geschäftsführer Grafische Werkstatt (Serigrafie) in Wachtberg, künstlerisch aktiv seit 1982.
1982 – 1988:
Objekte aus Holz & Metall, Holzplastiken, stilisierte Figuren & Charaktere aus Metall
1989 – 1998:
Möbel mit skulpturalem Charakter, Metallobjekte, Rauminstallationen
seit Ende 1998:
kinetische Objekte/Kunstmaschinen mit Antrieb durch Motoren, Wind oder Muskelkraft
Ausstellungen und Leihgaben im In- und Ausland (auszugsweise):
MAG – Montreux Art Gallery (CH), The MAD Museum in Stratford-upon-Avon (GB), Skulpturenpark Groeneveld (NL), 6-malige Teilnahme Internationale Kunstausstellung NordArt (Schleswig-Holstein), Skulpturengarten Dümmer See (Niedersachsen), Forschungsinstitut caesar (Bonn), Kurfürstliches Gärtnerhaus Bonn, SuperC der RWTH Aachen etc.
Seit 2017 betreibt Reiche bei Remagen (Rheinland-Pfalz) eine Kunstmaschinenhalle (www.kunstmaschinenhalle.de), Werkstatt und Atelier befinden sich jedoch in der Gemeinde Wachtberg, NRW, wo Reiche seit 1977 lebt.


 

6. Willi Reiche im Fernsehen

Während Willi Reiche in der Münchner Galerie Grabsdorf ausstellte, hat das ARD bzw. der SWR einen Atelierbesuch in seiner Maschinenhalle in Remagen gezeigt. Die beiden Beiträge können in der ARD-Mediathek aufgerufen werden.
03.05.2020 ∙ Landesart ∙ SWR Rheinland-Pfalz – Atelierbesuch Willi Reiche in Remagen
14.05.2020 ∙ Kunscht! ∙ SWR Fernsehen – Kinetische Kunst: Atelierbesuch bei Willi Reiche


 

7. Videolinks

Ausstellungsimpressionen aus der Galerie Gerhard Grabsdorf
https://youtu.be/2h30mQd7Tnc
Ausstellungstrailer „Die Ästhetik des Seriellen in der Kinetik – Willi Reiche“
https://youtu.be/w-bFF3jbr_A
Ausstellungstrailer und -impressionen „Die Ästhetik des Seriellen in der Kinetik – Willi Reiche“
https://youtu.be/_Tm7TQUNxag
Willi Reiches YouTube Playlist


 

9. Ausstellungsdaten

Öffentliche Finissage mit Willi Reiche
Samstag, 18.07.2020, 14.00 – 21.00 Uhr
Ausstellungsdauer
07. Februar bis 18. Juli 2020
Eintritt frei, keine Einladung erforderlich

 

Galerie Gerhard Grabsdorf
Aventinstr. 10
80469 München
Tel. +49 89 210.313.01 (telefonisch erreichbar: Di. – Sa. ab 11.00h)
www.grabsdorf.de
E-Mail: galerie@grabsdorf.de
Angepasste Öffnungszeiten
Do. 15.00 – 18.00 Uhr
Sa. 15.00 – 18.00 Uhr
und nach Vereinbarung (telefonisch oder auf der Homepage)